Willy Brandt: „Einer der ganz großen Streiter für die Sache der Freiheit“

Gedenkwand im Terminal 1 enthüllt – Finanzministerin Katrin Lange würdigt BER-Namensgeber

- Erschienen am 30.10.2020 - Pressemitteilung 86/2020
Willy Brandt Wand am BER © Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Schönefeld – Im Vorfeld der Inbetriebnahme des Flughafens BER (Terminal 1) wurde am heutigen Freitag im Terminalgebäude eine Gedenktafel für den Namensgeber des neuen Airports, den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt, feierlich enthüllt. An der Veranstaltung nahmen u.a. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange und Wolfgang Thierse, der Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, teil. Lange vertrat dabei den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke.

Finanz- und Europaministerin Katrin Lange äußerte sich im Rahmen ihrer Rede wie folgt:

„Lassen Sie es mich einmal so formulieren: Der lange Weg unseres BER war in den zurückliegenden Jahren nicht immer und ausschließlich von ganz glücklichen Entscheidungen begleitet. Leider! Ich denke, das kann man so sagen, ohne irgendjemandem damit über Gebühr zu nahe zu treten.

„Entscheidung hätte keine bessere sein können“

Aber nun, da das große Werk unter manchen Mühen und Schwierigkeiten doch vollendet ist, nehme ich gerne die Gelegenheit wahr, darauf hinzuweisen, dass jedenfalls eine Entscheidung von Anfang an doch eine glückliche gewesen ist – und das war die Entscheidung, diesen Flughafen nach Willy Brandt zu benennen. Ja, man kann sagen: Diese Entscheidung hätte keine bessere sein können.

Natürlich ist Willy Brandt Berlin und der Hauptstadtregion auf vielfältige Weise verbunden gewesen. Aber das ist nicht der eigentliche Grund für die Namenswahl. Denn die Bedeutung Willy Brandts geht weit über den Umstand seines verdienstvollen Wirkens in und für diese Region hinaus.

Es war der Weltbürger, Europäer und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, der 1969 erklärte: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen.“ Und der zwanzig Jahre später 1989 eindringlich „die Bereitschaft nicht zum erhobenen Zeigefinger, sondern zur Solidarität, zum Ausgleich, zum neuen Beginn“ anmahnte.

„Ein Volk der guten Nachbarn, im Innern und nach außen“

Zwischen diesen beiden Aussagen besteht ein inhaltlicher Zusammenhang, der von seiner Aktualität bis heute nichts verloren hat. Kein bisschen! Ja, das „Volk der guten Nachbarn“ und der „Verzicht auf den erhobenen Zeigefinger“ – das sind unverändert gültige Maßgaben Willy Brandts. Und ich meine, wir sind sehr gut beraten, uns an diesen Maßgaben auch heute noch und in Zukunft zu orientieren. Es wäre dies nämlich gut für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, für Deutschland und für ganz Europa.

Es liegt im Übrigen auch eine gewisse tiefere Logik darin, dass der Flughafen Köln/Bonn nach Konrad Adenauer benannt wurde, unser Flughafen jetzt aber nach Willy Brandt. Es war Konrad Adenauer, der die Westbindung der Bundesrepublik in einem mehr als bündnispolitischen Sinne durchsetzte und sich um die deutsch-französische Freundschaft in ganz besonderer Weise verdient gemacht hat. Und es   war Willy Brandt, der diese bleibenden Grundentscheidungen durch seine Entspannungspolitik und den Ausgleich mit dem Osten ergänzte und erweiterte.

Das Vermächtnis Konrad Adenauers und Willy Brandts: „Beides gehört heute zusammen“

Und beides gehört heute zusammen; das eine wie das andere, Konrad Adenauer und Willy Brandt – die Westbindung, die Rückgewinnung der Mitte Europa, der Ausgleich mit dem Osten und die Rolle des vereinten Deutschland in einem neuen Europa, in dem die alte Spaltung des Kalten Krieges glücklich überwunden wurde.

In keinem anderen Bild hat sich dieses Bemühen damals so sehr verdichtet, wie in dem Kniefall von Warschau, über den Egon Bahr berichtete, diese Szene sei „atemberaubend“ gewesen, und über den Willy Brandt in der ihm eigenen lakonischen Art lediglich bemerkte, er habe gedacht: „Bloß den Kranz niederlegen, das reicht nicht.“ Aber diese große, stille Geste wurde sehr wohl verstanden, sie wirkte in Wahrheit wie ein Donnerschlag, in Polen wie auf der ganzen Welt. Noch heute hat sich diese Szene in Warschau vielen Menschen unauslöschlich für immer eingeprägt. So war Willy Brandt.

Zu dieser Politik der Entspannung war Willy Brandt auch deshalb in der Lage, weil er von einem immer überzeugt war: Dass nämlich die kommunistische Herrschaft im Osten nicht von Dauer sein würde. Sie stehe gegen die Interessen der Menschen und gegen die Geschichte. Das war Willy Brandts tiefe Überzeugung. Es werde „der Tag kommen, an dem das Brandenburger Tor nicht mehr an der Grenze liegt“, erklärte Brandt bereits Ende der 50er Jahre. Und nach dem Mauerbau 1961 sagte Brandt dem DDR-Regime voraus: „Es wird keinen Bestand haben“. Und so sollte es dann auch kommen.

30 Jahre nach der friedlichen Revolution und der Einheit Deutschlands ist daher ein sehr guter Zeitpunkt, um daran zu erinnern, wer Willy Brandt vor allem war: Nämlich einer der ganz großen und unbeirrbaren Streiter für die Sache der Freiheit und der Demokratie – und eben daran erinnert diese Wand, die wir heute feierlich enthüllen.

Ja, es ist in der Tat eine in jeder Hinsicht glückliche Entscheidung, diesen Flughafen nach Willy Brandt zu benennen. 

Und ich finde es sehr angemessen, dass die zukünftigen Reisenden aus aller Welt hier am BER mit einem Wort von Willy Brandt begrüßt werden.

Willy Brandt: „Niemals so ganz außer Dienst…“

Und so versieht der große Regierende Bürgermeister und große Europäer Willy Brandt in gewisser Weise noch immer seinen Dienst an seiner Stadt und seinem Lebenswerk – denn als Regierender Bürgermeister ist man niemals so ganz außer Dienst. „Und das ist auch gut so“, wie ein anderer Regierender Bürgermeister einmal zu bemerken pflegte – in anderem Zusammenhang.

Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten: Das nun wieder erinnert mich als brandenburgische Ministerin ein wenig an die schöne Geschichte Theodor Fontanes über den Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland! Sie wissen, was ich meine.“