Konsequenzen aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Brandenburg Paket

Rede von Finanzministerin Katrin Lange im Landtag des Landes Brandenburg

- Erschienen am 27.06.2024 - Presemitteilung 26/2024

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

unser Verfassungsgericht hat in der vergangenen Woche über das Brandenburg-Paket geurteilt, und die Folgen dieses Urteils sind weitreichend – sowohl aktuell als auch auf mittlere und weitere Sicht.

Ich nehme dieses Urteil als Finanzministerin mit dem gebotenen Respekt vor dem Verfassungsgericht zur Kenntnis – also mit genau jenem Respekt, den die klageführende Fraktion in der Vergangenheit so oft hat vermissen lassen.

Dass ich das Urteil rundheraus begrüße, kann ich indes nicht behaupten. Ich hätte mir ein anderes Urteil gewünscht. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Es ist jetzt, wie es ist.

Nun geht es darum, mit den Folgen des in der Tat wegweisenden Urteils umzugehen.

Denn dass das Urteil des Verfassungsgerichts keine Rückabwicklungspflichten enthält, heißt umgekehrt nicht, dass es nicht vielleicht weitreichende Auswirkungen haben kann und wird.

Die Konsequenz aus dem Urteil lautet jedenfalls nicht "Weiter so!", sondern "Wir haben verstanden".

Das gebieten nach meinem Dafürhalten die politische Klugheit und auch der Respekt vor dem Gericht.

Hier wird also die Tragweite der Angelegenheit keineswegs verharmlost, wie die rechte Opposition unterstellt.

An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, heißt es bekanntlich. Und ich kann Ihnen versichern, es hatte schon seinen guten Grund, warum ich bereits am vergangenen Montag eine Bewilligungssperre über das Brandenburg-Paket verhängt habe.

Danach sind „ab sofort und bis auf Weiteres keine Bewilligungen mehr gegenüber Dritten vorzunehmen“. „Gleiches gilt für den Abschluss von Verträgen und sonstigen rechtsverbindlichen Zusagen gegenüber Dritten.“

Diese Maßnahme soll mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres verhindern, dass weitere Bewilligungen aus dem Brandenburg-Paket erfolgen.

 

Meine Damen und Herren,

Diese Bewilligungssperre war nach meiner Einschätzung zwingend erforderlich.

Denn wir haben natürlich seit dem vergangenen Freitag sehr intensive Prüfungen des Urteils begonnen.

Und es hatte sich dabei schon am Wochenende die Überzeugung herausgebildet, dass das Urteil auch Konsequenzen für das laufende Haushaltsjahr und den Nachtragshaushalt 2024 haben würde.

Diese Konsequenzen ergeben sich zwar eher indirekt, sie werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit unabweisbar sein.

Und deswegen besteht jetzt dringender Handlungsbedarf für die Landesregierung und den Landtag.

 

Meine Damen und Herren,

über das Brandenburg-Paket sollten in den Jahren 2023 und 2024 Unterstützungsleistungen im Umfang von insgesamt bis zu 1,6 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt werden.

Das ist der letzte Stand auf der Grundlage des Nachtragshaushaltes 2024.

Im Jahr 2023 wurden im Rahmen des Brandenburg-Paketes rund 550 Mio. Euro ausgezahlt.

Die Finanzierung erfolgte durch eine notlagenbedingte Nettokreditaufnahme.

Das Haushaltsjahr 2023 ist unterdessen abgeschlossen; die Bücher sind zugemacht, und das Verfassungsgericht hat auch klargestellt, dass keine Rückabwicklungspflichten für unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt bestehen.

Für das Jahr 2023 ergeben sich damit aufgrund des Urteils keine weiteren Auswirkungen. Die im Jahr 2023 notlagenbedingt aufgenommenen Kredite sowie die für die Bewältigung der festgestellten Notlage geleisteten Ausgaben müssen nicht zurückgefordert oder anderweitig rückabgewickelt werden.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass ich diesen Sachverhalt für das laufende Haushaltsjahr anders einschätze.

Im Jahr 2024 war bislang eine Unterstützung aus dem Brandenburg-Paket im Volumen von bis zu 1,06 Mrd. Euro geplant. Ebenfalls finanziert aus notlagenbedingter Kreditaufnahme.

Bis zum 21. Juni hat das Finanzministerium im Zusammenwirken mit dem Haushaltsausschuss des Landtages in Ausgaben von insgesamt 848 Mio. Euro eingewilligt.

Das ist also der aktuelle Stand.

Davon tatsächlich abgeflossen sind bis zum 31. Mai 2024 rund 225 Mio. Euro. Darin enthalten sind auch die Mittel, die im Rahmen der Richtlinie „Brandenburg-Paket Kommunal“ am 6. Mai 2024 an die Kommunen ausgezahlt wurden.

 

Meine Damen und Herren,

aus dem Urteil ergeben sich nun einige offene Fragen, die durch das Urteil selbst nicht direkt beantwortet werden können.

Das betrifft insbesondere den Umstand, dass wir uns im zeitlichen Geltungsbereich des Nachtragshaushaltes 2024 befinden. Und das Gericht selbst weist darauf hin, dass das Nachtragshaushaltsgesetz 2024 „nicht Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens gewesen“ sei.

Es sind nun meines Erachtens zwei Punkte zu bedenken. Zum einen erkennt auch das Verfassungsgericht an, dass der Nachtragshaushalt gegenüber dem Ursprungshaushalt „zu erheblichen Änderungen der Rechtslage geführt (hat), die in ihren Wirkungen einer gesetzlichen Neuregelung gleichstehen“.

Das war auch der Sinn dieses Nachtrags, denn seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 musste man auch auf Landesebene damit rechnen, dass Anti-Krisen-Pakete des Staates durch die Verfassungsgerichte kritisch betrachtet werden könnten.

Regierung und Koalition sind damals nicht untätig geblieben, sondern haben sich um Abhilfe bemüht.

Ich wies im Landtag auf diesen Zusammenhang hin und verband damit die Hoffnung, dass wir „damit zusätzliche Sicherheit für unser Brandenburg-Paket schaffen, soweit es eben möglich ist.“

Was das betrifft, sehen wir nun klarer.

 

Und das führt mich zum zweiten Punkt, der jetzt sehr ernsthaft zu bedenken ist.

Denn obgleich das Verfassungsgericht nicht über den Nachtragshaushalt 2024 geurteilt hat, unterliegt es nach meinem Dafürhalten doch keinem Zweifel, dass dessen Bestimmungen ebenfalls anhand der Maßstäbe und Erwägungen zu messen sind, die mit dem Urteil des Gerichts vom 21. Juni aufgestellt wurden.

Meine Einschätzung ist nun die, dass auch der Nachtragshaushalt diesen Maßstäben des Gerichts vermutlich kaum standhalten wird. Das Risiko ist jedenfalls hoch – und meines Erachtens zu hoch.

Das hängt wiederum mit zwei Aspekten zusammen.

Der eine betrifft die Notlagenerklärung selbst. Das Gericht hat die damalige Notlagenerklärung des Parlaments ausdrücklich anerkannt; die „Tatbestandsvoraussetzungen“ der Landesverfassung dazu seien „erfüllt“, heißt es in dem Urteil (135).

Die AfD sah das bekanntlich völlig anders – erst „Sondervermögen Winternothilfe“, dann: Keine Krise, nirgendwo! - und sie hat deswegen auch keineswegs „auf voller Linie gewonnen“, wie sich Herr Hohloch das jetzt zusammenreimt. Das gilt übrigens auch noch für andere Punkte.

Und der Nachtragshaushalt hat als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch das Problem der erforderlichen Jährlichkeit der Notlagenerklärungen beseitigt.

Nun hat unser Verfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die „Darlegungslasten“ des Gesetzgebers wachsen, je länger die Krise andauert.

Ob die jüngste Notlagenerklärung vom Dezember 2023 diesen gestiegenen Anforderungen gerecht wird, das können wir heute nicht wissen.

Aber im Lichte des Urteils sind zumindest Zweifel daran erlaubt.

Das Gericht hat die erste Notlagenerklärung vom Dezember 2022 ohne Beanstandung akzeptiert – aber ob das auch bei der zweiten Erklärung der Fall sein wird, das erscheint mir fraglich.

Niemand kann das sicher sagen, aber ich rate dazu, das Risiko gar nicht erst einzugehen.

Meine Damen und Herren,

dieser Punkt könnte vielleicht sogar hintangestellt werden, wenn da nicht der zweite Punkt wäre, von dem ich vermute, dass er in der Konsequenz die Verfassungswidrigkeit auch des Nachtragshaushaltes bedeuten könnte.

Und das betrifft den entscheidenden Hinweis auf den notwendigen „Veranlassungszusammenhang“ zwischen der festgestellten Notsituation und den geplanten Krisenbewältigungsmaßnahmen.

Die Darlegungen dazu waren dem Gericht – kurz gesagt – nicht ausreichend.

Das Gericht stellt dazu eine ganze Reihe von Anforderungen auf, die ich jetzt im Einzelnen nicht würdigen möchte, und kommt auch auf die notwendige Abgrenzung von als krisenbedingt angesehen Maßnahmen von allgemeinpolitisch motivierten Maßnahmen zu sprechen.

Dieser Veranlassungszusammenhang ist also der springende Punkt, das A und das O in dieser Sache.

Und der Haushaltsgesetzgeber sei eben – so sagt es das Gericht – seiner Darlegungslast „nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang gerecht geworden“.

Damit, meine Damen und Herren, liegt das Problem nun förmlich auf der Hand: Denn an der Darlegung des Veranlassungszusammenhangs der einzelnen Maßnahmen des Brandenburg-Pakets hat auch der Nachtragshaushalt 2024 nichts Wesentliches geändert.

In Auswertung des Urteils des Verfassungsgerichts besteht damit meines Erachtens das erhebliche Risiko einer erfolgreichen Klage auch gegen den Nachtragshaushalt – und die AfD-Fraktion hat eine solche Klage ja bereits angekündigt.

Auch in diesem Punkt rate ich dazu, dieses Risiko nicht einzugehen.

Es ist einmal der Respekt vor dem Verfassungsgericht, der unverzügliches Handeln erfordert.

Zweitens ist es die zu Ende gehende Wahlperiode. Ich sehe das so: Wir haben nach Auffassung des Gerichts diesen Fehler gemacht – und wir sollten ihn dann auch wieder ausbügeln.

Und drittens wäre es gut, wenn die AfD hier keine zweite Chance bekommen würde.

In schwieriger Lage könnte das zu erheblichen Verunsicherungen im Land führen, bei den Menschen, im Mittelstand und bei unseren Gemeinden.

Denn das will ich hier noch einmal ganz deutlich sagen: Das Brandenburg-Paket ist nicht deswegen erfolgreich beklagt worden, weil seine Maßnahmen schlecht, unsinnig oder wirkungslos gewesen wären.

Keineswegs; denn das sind sie auch nicht.

Im Gegenteil: Ich möchte sagen, ohne das Brandenburg-Paket stünden Land und Leute heute schlechter da. Das steht für mich auch mal fest!

Es braucht hier deswegen keiner in Sack und Asche zu gehen wegen des Brandenburg-Pakets, das nämlich tatsächlich zahlreiche sinnvolle Maßnahmen für unser Land umgesetzt hat – das aber dabei die erforderliche tragfähige Begründung hat vermissen lassen, wie wir jetzt wissen.

 

Meine Damen und Herren,

ich möchte Ihnen daher eine Möglichkeit vorschlagen, die entstandene Lage zu bereinigen.

Aus meiner Sicht ist das zugleich auch die einzige Möglichkeit, die sowohl zügig, als auch durchgreifend, als auch rechtssicher zu einer solchen Bereinigung führen kann.

Sie besteht darin, eine solche haushaltsrechtliche Situation zu schaffen, in der es auf die Darlegung des Veranlassungszusammenhanges nicht mehr ankommt.

Und das ist dann der Fall, wenn für die Finanzierung der Maßnahmen des Brandenburg-Pakets im Jahr 2024 grundsätzlich nicht mehr von der notlagenbedingten Kreditermächtigung Gebrauch gemacht wird.

Das bezieht sich auf das gesamte Haushaltsjahr 2024 und auf alle Maßnahmen des Paketes ohne Unterschied.

Damit entfällt die Notwendigkeit der Notlagenerklärung vom Dezember 2023 und deren verfassungsrechtliche Haltbarkeit mag dann dahingestellt sein.

Zugleich entsteht die Notwendigkeit, eine andere Finanzierung für die bislang bewilligten Maßnahmen aus dem Paket zu finden.

Nach Lage der Dinge kommt dafür nur die Inanspruchnahme der allgemeinen Rücklage infrage; eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.

Diese Rücklage umfasst derzeit rund 1,6 Mrd. Euro. Die finanzwirtschaftliche Bewältigung der nun entstandenen Lage ist auf diesem Weg also möglich.

Um das haushaltsrechtlich sauber abzubilden, ist ein zweiter Nachtragshaushalt 2024 erforderlich, dessen Entwurf sehr kurzfristig erstellt werden kann – mein Haus steht dazu praktisch in den Startlöchern – und den Sie anschließend im geregelten Verfahren hier im Landtag beraten könnten.

Ganz klar: Ohne einen solchen Nachtragshaushalt geht es nicht.

Das ist mein Vorschlag.

 

Meine Damen und Herren,

das Verfassungsgericht hat „Darlegungsdefizite“ gerügt.

Was es nicht getan hat, das ist sich klar dazu zu äußern, wie denn diese Darlegungsdefizite überzeugend beseitigt werden könnten.

Da ist zwar von „relativen sachlichen Grenzen“ die Rede (115), von der notwendigen „besonderen Sorgfalt“ (117), von „allgemeinpolitischen Maßnahmen“ (118) und von „spezifischen notlagenbezogenen Maßnahmen“ (120), von der „Aufgabe der Eignungsprüfung“ (119) und von den „Umständen des jeweiligen Einzelfalls“ (127). Außerdem auch noch von der „Vielschichtigkeit von Lösungen zur Krisenüberwindung“.

Ich will darauf an dieser Stelle nicht eingehen, sondern nur feststellen, dass diese Ausführungen des Gerichts in Zukunft jedem Gesetzgeber in einer vergleichbaren Krisensituation und Notlage noch einige Rätsel aufgeben werden.

Daran wird absehbar auch jeder Versuch scheitern, die möglichen Darlegungsmängel für das laufende Haushaltsjahr quasi im laufenden Betrieb noch durch eine nähere Differenzierung der Maßnahmen – etwa allgemeinpolitisch oder notlagebezogen – oder eine ausführliche Begründung im Haushaltsgesetz selbst zu heilen.

Einmal ganz abgesehen davon, dass ein solches Unterfangen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Denn niemand kann mit hinreichender Sicherheit heute sagen, was denn das Verfassungsgericht als ausreichend ansehen wird und wo die von ihm angeführten „relativen sachlichen Grenzen“ genau verlaufen.

Jeder Gesetzgeber bewegt sich da künftig vorsichtig tastend in einer Zone der Ungewissheit und steht praktisch immer mit einem Bein in der Verfassungswidrigkeit.

Vielleicht – wir wissen es nicht – würde das Verfassungsgericht die einen Maßnahmen unseres Pakets anerkennen, und die anderen nicht. Das führt dann im Ergebnis trotzdem zur Verfassungswidrigkeit des Nachtragshaushalts.

Ich kann zu einem solchen Versuch nicht raten, von dem ich vermute, dass er mit Blick auf das Urteil vom letzten Freitag zu einem schlechten Ende führen wird.

Es kommt noch hinzu: Es würde so auch dem Klagerisiko nicht ausreichend entgegengetreten.

Ein solches Vorgehen würde vermutlich beklagt werden, denn es würde ja weiterhin die Inanspruchnahme von notlagenbedingten Kreditermächtigungen vorsehen.

In dem zu Ende gegangenen Verfahren konnte der Kläger eine einstweilige Anordnung gegen den Haushalt noch nicht durchsetzen. Aber mit dem aktuellen Urteil im Rücken könnte es dieses Mal ganz anders aussehen.

Dieses Risiko wird man sicher nicht von der Hand weisen können; ich persönlich schätze es als ziemlich hoch ein.

 

Damit verbunden wären natürlich zahlreiche politische Profilierungsmöglichkeiten der AfD in den kommenden Wochen und Monaten.

Auch das muss man sehen.

 

Und deshalb rate ich – wie eben dargestellt – zu der „großen Lösung“, die die Inanspruchnahme von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in diesem Jahr vollständig vermeidet, das Klagerisiko dadurch wesentlich vermindert und zugleich die bislang bewilligten Maßnahmen des Brandenburg-Pakets durch Entnahme aus der Rücklage absichert, denn wir haben damit – das ist meine Überzeugung – in der Krise sehr viel Sinnvolles für Brandenburg und seine Einwohner bewirkt.

 

Meine Damen und Herren,

es stimmt: Ich habe die Entscheidungen zum Brandenburg Paket damals mit gutem Gewissen begleitet – und ich stehe auch heute mit gutem Gewissen vor Ihnen, wenn auch mit etwas zerbeulter Rüstung.

 

Ja, wir haben einen verfassungsrechtlichen Fehler begangen, den wir ausbügeln werden.

Was den politischen Ansatz selbst betrifft, Bürgern, Kommunen und Wirtschaft in einer massiven Krisenlage zu helfen, so stehe ich dazu unverändert voll und ganz.

Und zu dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion, der meine Entlassung fordert, möchte ich Folgendes bemerken:

Ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie mich provozieren und zu einer Reaktion verleiten wollen. Aber das können Sie sich von der Backe putzen.

Ich bin aus der Prignitz. Ich lasse mich nicht provozieren. Von Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, schon gar nicht.

 

Meine Damen und Herren,

gestatten Sie mir abschließend folgende drei Bemerkungen.

Erstens: Ich gehe davon aus, dass wir die finanzwirtschaftlichen Folgen des Urteils gemeinsam erfolgreich bereinigen können.

Mit einiger Mühe zwar, aber es wird gehen.

Für die Zukunft allerdings ist davon auszugehen, dass derartige Unterstützungen von Bürgern, Wirtschaft und Kommunen in besonders angespannten Zeiten nur unter sehr erschwerten Bedingungen oder möglicherweise kaum noch möglich sein werden.

Denn das Potsdamer Urteil schränkt die Handlungsmöglichkeiten von Regierung und gewählter Volksvertretung in Krisenzeiten erheblich ein.

Und das Landesverfassungsgericht steht damit nicht allein, denn die Rechtsprechung zur Schuldenbremse, die seit 2020 in Kraft getreten ist, entwickelt sich auch an anderer Stelle zügig weiter.

 

Zweitens: Ich will heute nicht verhehlen, dass ich mich in meiner kritischen Haltung zur Schuldenbremse bestätigt sehe.

Diese Kritik richtet sich nicht an das Verfassungsgericht.

Dessen Urteil ist, wenn man es gründlich liest, im gegebenen Rechtsrahmen gut nachvollziehbar.

Sondern ich halte die Schuldenbremse selbst für ein Unglück für den Parlamentarismus. Ein selbstverschuldetes Unglück.

Ich weiß, dazu gibt es hier im Hause und auch in der Koalition unterschiedliche Auffassungen.

Aber ich glaube, die Skepsis nimmt in letzter Zeit doch parteiübergreifend zu und wird nach dem Potsdamer Urteil sicher nicht kleiner.

Denn die eigentlich neoliberale Schuldenbremse schränkt die Handlungsmöglichkeiten der gewählten Volksvertreter in Krisensituationen faktisch – wie sich nun zeigt – in einem Maße ein, das man mit guten Gründen als kritisch und kritikwürdig wird bezeichnen dürfen.

Ich meine hingegen: Das Parlament als gewählte Volksvertretung muss diese Möglichkeiten zur politischen Entscheidung haben – in Krisenzeiten erst recht.

Und die Bürger sprechen dann an der Wahlurne darüber ihr Urteil.

So sollte es sein in der Demokratie; und so war es auch viele Jahrzehnte lang, aber so ist es seit der Föderalismuskommission, die auch noch einigen anderen Unfug beschlossen hat (etwa zur Beamtenbesoldung…), nicht mehr.

Ja, wir haben gegen die geltende Rechtslage verstoßen, das haben wir nun schwarz auf weiß und bringen das auch in Ordnung, aber ich habe es hier schon einmal gesagt und wiederhole es heute: Die Schuldenbremse hat dafür umgekehrt den Realitätscheck nicht bestanden.

Und wir werden sehen, was sich daraus in den kommenden Jahren noch ergibt. Ich befürchte: Wenig Gutes.

 

Und schließlich drittens: Ein berühmter amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler (John Kenneth Galbraith) sagte einmal:

Demokratie ist wie Sex. Ist sie gut, ist sie sehr gut. Ist sie nicht so gut, ist sie immer noch ganz gut.“

Beim Brandenburg-Paket waren wir leider nicht so gut.

Meine Bitte ist jetzt: Unterstützen Sie uns dabei, wieder besser zu werden und stimmen Sie dem sehr guten Antrag der Koalitionsfraktionen zu.

Vielen Dank!