Erbschaftsteuerreform verfehlt Ziel

- Erschienen am 21.06.2016 - Presemitteilung 34/2016

Potsdam – Finanzminister Christian Görke hat heute in Potsdam die detaillierten Pläne zur künftigen Gestaltung der Erbschaftsteuer zur Kenntnis genommen. Nach erster Prüfung seien ernsthafte Zweifel in den Raum zu stellen, ob der Inhalt des so genannten Kompromisses den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichtsurteils gerecht werde. „Die vom BVerfG geforderte Neuregelung der Erbschaftsteuer“, so der Minister, „wurde auf leidliche Reparaturmaßnahmen beschränkt und die Verschonung der Betriebsvermögen im Wesentlichen beibehalten. Die so genannte Reform, die eine Erhöhung des Aufkommens aus der Erbschaftsteuer von bundesweit lediglich 230 Millionen - bei ererbten Vermögen von 200 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr - hervorbringt, ist angesichts des Zeitaufwandes, den die große Koalition dafür benötigt hat, in keiner Weise zufriedenstellend und im Wortsinne gescheitert. Ich kann nicht erkennen, weshalb das BVG dieses Ergebnis als verfassungskonform ansehen sollte. Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass in einem „Erbschaften-Land“ wie Deutschland die Erben großer Vermögen in einem verhältnismäßigen Rahmen Steuern zu zahlen und einen gerechten Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Bilanz beizutragen haben. Mit diesem Kompromiss bleiben wir meilenweit von diesem Anspruch entfernt.“, betonte Minister Görke. „Man kann im Ergebnis nur von Glück reden, dass sich die CSU nicht auch noch mit ihrer Forderung nach einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer durchsetzen konnte.“

Einigen Anliegen der Länder sei immerhin punktuell Rechnung getragen worden. „Insgesamt aber“, so Görke, „werde das Erbschaftsteuergesetz unübersichtlicher, komplizierter und schafft neue Freiräume für die Schonung privater Vermögen.“ Zwar werde ab 26 Millionen vererbten Anteils ein Abschmelzungsmodell eingeführt und ab 90 Millionen keine Verschonung mehr vorgenommen, aber bei der Berechnung des begünstigten Vermögens würden neuerliche ‚Gestaltungsmöglichkeiten‘ eröffnet. Große Familienunternehmen dürfen sich freuen, denn auf den ererbten Anteil bei üblichen gesellschaftsrechtlichen Verfügungsbeschränkungen werde ein Abschlag von bis zu 30 Prozent zugelassen. Auch die vorgesehene Investitionsklausel eröffne Spielräume und erfordere hohen Kontrollaufwand durch die Verwaltung. Durch die Minderung des so genannten Kapitalisierungsfaktors sinke zusätzlich die Besteuerungsbasis bei allen Unternehmen. Das möge zwar auf Grund der aktuellen Niedrigzinsen nachvollziehbar sein, führe aber zu weiteren Mitnahmeeffekten. Verfassungsrechtlich äußerst bedenklich sei die voraussetzungslose 10-jährige Stundung, für den Fall, dass tatsächlich jemand Erbschaftsteuer aus seinem Privatvermögen zahlen müsste.

Finanzminister Görke weiter: „Insgesamt bleibt es dabei, dass die Grenzen ab denen Betriebsvermögen von der Besteuerung verschont werden weiter als zu hoch anzusehen sind, denn die meisten Unternehmen werden auch zukünftig keine Erbschaftsteuer zu bezahlen haben. Die getroffenen Reglungen sind hochkompliziert und damit intransparent. Sie ermöglichen Steuergestaltungen für die Erben, die dem Steuerrecht sonst fremd sind, und erhöhen sie den Verwaltungs- und Bürokratieaufwand, insbesondere für unsere Finanzämter, erheblich.

Zusammenfassend ist zu sagen: Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern sie ist zugleich ein Instrument des Sozialstaates, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger konzentriert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Wieder einmal wurde die Chance vertan, die Erbschaft- und Schenkungsteuer strukturell neu zu konzipieren sowie fiskalisch und verteilungspolitisch stärker zu nutzen. Ich bin aber sicher, dass die jetzigen Regelungen vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben werden und wir uns in wenigen Jahren wieder mit der Erbschaftsteuer beschäftigen werden müssen. Bundestag und Bundesrat können dieses Szenario noch verhindern.“

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Ident-Nr
34/2016
Datum
21.06.2016