Katrin Lange: „Wenn das schiefgeht, schlägt hier der Blitz ein“

Haushalt 2021: Finanzministerin betont Unabweisbarkeit der Anti-Krisen-Maßnahmen – Zugleich Hinweis auf Risiken der künftigen Entwicklung: „Zukunft nicht aus Mandeln und Rosinen gebacken“

- Erschienen am 17.12.2020 - Pressemitteilung 101/2020

Potsdam – Zur abschließenden Lesung des Entwurfs des Landeshaushaltes 2021 äußerte sich Finanzministerin Katrin Lange im Landtag Brandenburg heute wie folgt:

„Der Landeshaushalt 2021 befindet sich auf der Zielgeraden. Nach ausführlichen Beratungen in den Ausschüssen und nun hier im Plenum hat er Lob und Kritik erfahren. Von Herrn Dr. Zeschmann eher ein zurückhaltendes Lob; das ist wahr…

Nach den Beratungen gestern und heute kann man sagen: Der Haushalt wurde noch einmal umfassend und allseitig kritisch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis der gründlichen Untersuchung lautet durchaus übereinstimmend: Schöner wird er jetzt nicht mehr. Mehr haushaltswirtschaftliche Schönheit und Harmonie gibt die Lage derzeit leider nicht her. Ich darf mich daher an dieser Stelle für diese kritische und konstruktive Begleitung bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken.

Was meine grundsätzliche Einschätzung angeht, so bin ich darauf anlässlich der zweiten Lesung ausführlich eingegangen und kann mich daher heute kurzfassen: Der Haushalt 2021 ist grundsätzlich richtig angelegt in seiner doppelten Ausrichtung als Anti-Krisen- und Gestaltungshaushalt. Zu dieser Ausrichtung gibt es im Grundsatz in der derzeitigen Lage auch keine erkennbare vernünftige Alternative.

Das betrifft auch seine Schattenseiten, die von mir in keiner Weise bestritten werden, sondern auf die ich selbst hingewiesen habe: Vor allem die hohe Neuverschuldung ist hier zu nennen. Nur ist eine nachdrückliche Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie anders eben nicht zu machen. Hier gilt tatsächlich: Wer das eine will, muss das andere vielleicht nicht gerade mögen, aber doch wenigstens in Kauf nehmen. Oder aber sich in die Büsche schlagen – Landesregierung und Koalition schlagen sich nicht in die Büsche.

Bei diesen Grundentscheidungen der Finanzpolitik kann die Landesregierung sich auf den fast einhelligen Rat der Experten berufen, völlig unabhängig von deren Ausrichtung. Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Lars Feldt sagt: „Es würde der Wirtschaft schaden, wenn der Staat jetzt beginnen würde, der Krise hinterherzusparen.“ Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermeyer, erklärt: „Eine Verlängerung der Hilfsgelder ist nötig und auch finanzierbar.“ Der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält es für notwendig, die Unterstützungsmaßnahmen fortzusetzen und warnt vor zu frühen Sparprogrammen.

Also, wie gesagt: Es macht jetzt keinen Sinn, der „schwarzen Null“ hinterher zu trauern, die in der jetzigen Situation nicht zu haben ist. Auch ich wünschte, das wäre anders – ist es aber nicht. Man kann sich die Umstände nicht aussuchen. Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Und da soll es uns am Ende nicht gehen wie derzeit Schalke 04, von denen man sagt: Sie können am Ball alles – einfetten und aufpumpen.

Es ist von Herrn Bretz heute schon völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, dass dieser Landeshaushalt auch den rechtlichen Anforderungen der Schuldenbremse in jeder Weise gerecht wird. Wir umgehen nicht die Schuldenbremse, sondern halten sie peinlich genau ein. Das ist eindeutig. Nicht ganz so eindeutig ist, wie es um die Schuldenbremse in materieller Hinsicht in Zukunft bestellt sein wird. Ende der Nuller-Jahre hatten wir es mit der Weltfinanzkrise zu tun. Anfang der 20er-Jahre hält Corona die Weltwirtschaft fest im Griff. Was wird in fünf, was in zehn Jahren sein?

Es ist ja nicht so, dass die politischen und wirtschaftlichen Zukunftsaussichten nur aus Mandeln und Rosinen gebacken sind. Wir leben vielmehr in einer Welt zunehmender Unsicherheiten. Ich will Ihnen hier nicht die Laune verderben, aber ich muss als Finanzministerin nicht nur in Schönwetterszenarien denken, sondern pflichtgemäß auch an das Gegenteil.

Damit zu einigen weiteren Risiken und Nebenwirkungen der vor uns liegenden Wegstrecke.

Der heute zu beschließende Landeshaushalt ist fachlich und politisch nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Er bietet eine sinnvolle und vernünftige haushaltswirtschaftliche Basis für das Jahr 2021. Soweit man das eben heute sagen kann. Aber wer weiß schon, was das kommende Jahr bringen wird.

Es mag ja sein, dass die Lage sich spürbar bessert. Derzeit ist es aber so, dass ein Ende der Corona-Pandemie noch nicht absehbar ist. Wir wollen uns hier ja strikt an den Fakten orientieren. Ende Oktober dieses Jahres wurde noch vor einem zweiten Lockdown gewarnt, heute ist der Lockdown da. Vor drei Wochen noch hieß es Einkaufen sei eine „patriotische Aufgabe“, heute wird von denselben Leuten vom Weihnachtsshopping abgeraten. Klar: es ist ja auch alles dicht. Niemand kann sagen, was das nächste Jahr bringen wird. Deshalb wird der Haushaltsvollzug sicherlich einige Unwägbarkeiten aufweisen. 

Dann ist hier gestern mehrfach das Thema Generationengerechtigkeit angesprochen worden.

Auch da muss ich vor einer verkürzten Betrachtung des Problems warnen. Die Verschuldung des Landes ist nicht nur ein Problem für die künftigen Generationen. Das ist nur die eine Seite der Medaille.

Die andere ist: Verschuldung, Zinsen und Tilgungsverpflichtungen schränken die finanziellen Möglichkeiten des Landes auch unmittelbar und schon in den nächsten Jahren ein. Wir haben es hier nicht nur mit einem Problem von morgen, sondern auch von heute zu tun. Das muss man der Ehrlichkeit halber klar so sagen.

Das führt jetzt nicht dazu, dass wir kurzfristig massiv auf die Ausgabenbremse treten werden. Das wäre jetzt nicht sinnvoll; auch und gerade gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll. Das wird aber sehr wohl zur Folge haben, dass schon die Haushaltsaufstellung für das Jahr 2022 anderen Maßgaben unterliegen wird als in diesem Jahr. Denn das strukturelle Ungleichgewicht des Haushalts hat zwar ganz überwiegend zu tun mit der Corona-Lage – aber eben nicht ausschließlich. Auch ist in diesem Zusammenhang klar zu sagen, dass die Aufnahme von Vorhaben in den Koalitionsvertrag an sich noch kein geldschöpfender Vorgang ist. Da wird es bei manchem, der nun engagiert die Vorlage eines Konsolidierungspfades fordert, noch lange Gesichter und bittere Tränen geben. Auch darauf bitte ich sich angesichts der Lage bereits vorausschauend einzustellen.

Schließlich ist auch noch ein Wort zu sagen zu den allgemeinen Folgen der Corona-Krise. Und nur, weil Herr Walter das Thema gestern angesprochen hat, wird es dadurch nicht gleich falsch. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Corona-Krise und ihre Folgen uns alle in gleicher Weise treffen. Ganz und gar nicht. Die Krise ist nicht der große Gleichmacher vor dem Virus mit den komischen Noppen. Es ist vielmehr eine Tatsache, dass auch diese Krise ihre Gewinner hat. Und zwar in einem ungeheuren Ausmaß.

Den 2200 reichsten Menschen der Welt konnte Corona nichts anhaben. Ganz im Gegenteil: Milliardäre weltweit sind während der Krise noch reicher geworden. Das Vermögen der 2200 wohlhabendsten Menschen hat einer aktuellen Studie zufolge mit 10,2 Billionen Dollar einen neuen Rekordstand erreicht. Diese unvorstellbare Zunahme des privaten Reichtums in einer sehr kleinen Klasse von Superreichen in einer Zeit der weltweiten Krise ist auch kein Aushängeschild für die „soziale Marktwirtschaft“, sondern vielmehr eine Gefahr für die soziale Marktwirtschaft.

Andererseits: Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge sehen 15 Prozent der Unternehmen hierzulande ihre Existenz durch die Corona-Krise bedroht, darunter 76 Prozent der Hotels und 62 Prozent der Gaststätten. Hier ist ganz offensichtlich etwas in schwere Unwucht geraten, und es noch lange kein Sozialismus, wenn man das kritisch anmerkt.

Ich sehe jedenfalls eine Gefahr, und alle vorliegenden Daten stützen diese Sicht: Dass nämlich in und mit der Corona-Pandemie die Superreichen noch reicher werden und alle anderen ärmer werden. Und das ist keine soziale Marktwirtschaft. Darüber muss gesprochen werden. Das ist eine berechtigte Frage. Und Sie wissen ja: Das Hauptproblem der Linken ist ja seit jeher nicht so sehr, dass sie die falschen Fragen stellen – sondern dass sie dazu neigen, die falschen Antworten zu geben.

Es ist jetzt die Devise ausgegeben: Wir bleiben Zuhause. Das werden wir nach dem Landtag und über Weihnachten pflichtgemäß auch tun. Und da haben wir dann Zeit zu lesen. Daher abschließend ein Lektüre-Tipp für Sie, wenn Sie mögen. Zu den aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklungen kann ich Ihnen sehr empfehlen einen längeren Beitrag auf FOCUS Online mit dem Titel: „Wie die Mittelschicht durch die Corona-Geldflut still enteignet wird“. Keine Sorge: Anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, stammt dieser Beitrag mitnichten von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) oder der CDU-Mittelstandsunion. Er ist vielmehr von Sahra Wagenknecht.

Ich darf also wie folgt zusammenfassen: Wenn diese Wette auf die Zukunft schiefgeht, dann schlägt hier der Blitz ein. Gelingt sie aber, dann haben wir uns gemeinsam – Regierung und Parlament – um Land und Leute verdient gemacht, auch um die jetzige und die künftigen Generationen. Nun liegt es bei Ihnen.

Mit dieser schönen Bescherung darf ich mich bei Ihnen allen nochmals bedanken, den Haushalt 2021 ihrer Zustimmung wärmstens empfehlen und Ihnen allen ein sehr frohes Fest wünschen.“