Finanzminister Görke mahnt gerechte Reform der Grundsteuer an
Reformvorschlag der Länder endlich umsetzen
- Erschienen am - PresemitteilungPotsdam – Finanzminister Görke sieht sich durch die gestrige mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in seiner kritischen Haltung zur derzeitigen Ausgestaltung der Grundsteuer bestätigt: „Das Bundesverfassungsgericht hat in der Verhandlung klar herausgestellt, dass die Grundsteuer auf Grundlage von Einheitswerten erhoben wird, die die heutigen Wertverhältnisse nicht einmal im Ansatz zum Ausdruck bringen.“
„Die Ausführungen des Gerichts waren so zu erwarten“, sagte Minister Görke. „Ich erinnere daran, dass sich 14 Bundesländer – darunter auch Brandenburg – bereits 2016 auf eine Grundsteuerreform verständigt haben, die diese Ungerechtigkeit abschafft. Die dem Bundestag zugeleitete Reform sorgt dafür, dass künftig alle Grundstücke nach dem gleichen Maßstab bewertet werden. Die Grundsteuerlast in Deutschland wird neu verteilt. Vermögende Besitzer wertvoller Grundstücke müssen mehr zahlen, Eigentümer weniger wertvoller Grundstücke entsprechend weniger. Derzeit wird ein Grundstück in Potsdam, gelegen in der Berliner Vorstadt, und ein Grundstück in der Prignitz gleichbesteuert. Hier muss endlich Steuergerechtigkeit her!“
Ausdrücklich wies er darauf hin, „die derzeitige moderate Grundsteuerbelastung der Mieter bleibt auch nach dem Reformvorschlag der Länder bestehen. Sie beträgt im Bundesdurchschnitt rund 18 Cent je Quadratmeter und Monat. Das ist vergleichbar mit den Kosten für Hauswart oder Müllentsorgung.“
Finanzminister Görke bekräftigte: „Über die Höhe der Grundsteuer entscheiden weiterhin vor Ort die gewählten Mitglieder der Gemeindevertretung per Festlegung eines Hebesatzes. An diesem in Artikel 106 Absatz 6 Grundgesetz garantierten Hebesatzrecht ändert sich nichts. Es gibt keinen strukturellen Zusammenhang zwischen dem Reformvorhaben der Länder und einem höheren Gesamtaufkommen der Grundsteuer. Die von uns angestrebte Reform soll aufkommensneutral bleiben.“
„Der Bundestag ist seiner Verantwortung nicht gerecht geworden“, mahnte Minister Görke. „Sollte das Bundesverfassungsgericht das gegenwärtige Recht für verfassungswidrig erklären, ist fraglich wie lange es dem Gesetzgeber Zeit gibt, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen. Für eine Neubewertung von 35 Millionen Grundstücken ist ein 10-jähriger Vorlauf erforderlich. Es müssen IT-Verfahren entwickelt und eingeführt werden. In dem der Bundestag das Thema Grundsteuerreform bislang ausgesessen hat, ist viel Zeit verloren gegangen.“
Das Grundsteueraufkommen steht den Kommunen zu. Mit einem jährlichen Aufkommen von rund 270 Millionen Euro ist die Grundsteuer eine der wichtigen und insbesondere verlässlichen Einnahmequellen der brandenburgischen Gemeinden.
Hintergrund:
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über drei Richtervorlagen des Bundesfinanzhofes und zwei Verfassungsbeschwerden zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung.
Die Grundsteuer knüpft an die sogenannten Einheitswerte an. In Westdeutschland liegen diesen die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 zugrunde. In Ostdeutschland sind es die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1935.
Der Bundesfinanzhof hält in seinen Anträgen auf konkrete Normenkontrolle die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) ab dem Bewertungsstichtag 1. Januar 2008 für verfassungswidrig. Aufgrund der Systematik der Bewertungsvorschriften komme es bei der Feststellung der Einheitswerte zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen. Hauptursache hierfür sei, dass aufgrund der Rückanknüpfung der Wertverhältnisse die seit 1964 eingetretenen tiefgreifenden Veränderungen im Gebäudebestand sowie auf dem Immobilienmarkt nicht in die Bewertung mit einbezogen würden. Die Entwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße bleibe ebenso unberücksichtigt wie die wesentlichen Ausstattungsmerkmale einer Vielzahl von Gebäuden und Wohnungen. Gleiches gelte für städtebauliche Entwicklungen und Veränderungen am Wohnungsmarkt sowie für nach dem 1. Januar 1964 eingeführte Maßnahmen zur Wohnraumförderung. Eine Wertminderung wegen Alters für Gebäude unterschiedlichen Baujahrs sei durch die Festschreibung der Wertverhältnisse ebenfalls ausgeschlossen. Die weitreichenden Wertverzerrungen würden schließlich durch Defizite im Gesetzesvollzug noch deutlich verstärkt.
Auch mit den vorliegenden Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführer im Kern die Verletzung ihrer Grundrechte aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz geltend. Wie der Bundesfinanzhof sehen sie eine erhebliche Ungleichbehandlung bei der Einheitsbewertung infolge der seit 1964 eingetretenen Wertverzerrungen, aber auch in der Anwendung zweier unterschiedlicher Verfahren zur Bewertung von Grundstücken (Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren).
Im Auftrag der Finanzministerkonferenz haben die Länder Hessen und Niedersachsen am 22. Juli 2016 eine Bundesratsinitiative zur Reform der Grundsteuer einschließlich eines Gesetzentwurfs zur Ermittlung und Feststellung der neuen Grundbesitzwerte vorgestellt. Das neue Bewertungssystem soll vor allem die entstandenen Wertverzerrungen ausgleichen und eine rechtssichere, zeitgemäße und auch verwaltungsökonomische Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer ermitteln. Auf Grundlage dieser Initiative hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 4. November 2016 (gegen die Stimmen von Hamburg und Bayern) zwei Gesetzentwürfe verabschiedet und in den Bundestag eingebracht. Derzeit ruht die Reform der Grundsteuer. Die vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesvorlagen zur Änderung des Bewertungsgesetzes und des Grundgesetzes als erste Stufe der Grundsteuerreform (BT-Drs. 18/10751 und 18/10753 vom 21. Dezember 2016) wurden vom Bundestag in der letzten Legislaturperiode nicht mehr behandelt. Für den Deutschen Bundestag gilt das Diskontinuitätsprinzip. Infolgedessen müssen alle Gesetzesvorlagen, die vom Bundestag mit Ablauf der 18. Legislaturperiode noch nicht beschlossen wurden, in der nächsten Legislaturperiode erneut eingebracht werden. Dies gilt auch für die Gesetzesvorlagen des Bundesrates für die Reform der Grundsteuer.
Das Reformmodell der Länder stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:
Neues Bewertungsziel für das Grundvermögen ist der Kostenwert. Der Kostenwert bildet typisierend den Investitionsaufwand im Grundstück ab. Er ermittelt sich durch Multiplikation der Gebäudefläche mit den typisierten Herstellungskosten abzüglich einer Altersminderung. Für den Grund und Boden wird der Bodenrichtwert angesetzt. Bewertungsziel für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen bleibt wie bisher der Ertragswert. Hier wird differenziert nach der Bodennutzungsart. Diese vom Grundvermögen abweichende Festlegung des Bewertungsziels berücksichtigt die Besonderheit der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die gemeindliche Besteuerung der Ertragskraft dieser Betriebe erfolgt über die Grundsteuer.
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