Finanzminister Markov: Straffreiheit durch Selbstanzeigen widerspricht der demokratischen Rechtskultur
- Erschienen amAuf der heutigen 882. Sitzung des Bundesrates hat Finanzminister Dr. Helmuth Markov die ablehnende Haltung des Landes Brandenburg zum „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung“, kurz: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, deutlich gemacht.
Wir dokumentieren hiermit die
Rede von Finanzminister Dr. Helmuth Markov, Land Brandenburg:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zu den im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vorgesehenen Regelungen zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehungen.
Die Änderungen der Vorschriften der Abgabenordnung sind im Vergleich zu der bisherigen gesetzlichen Regelung durchaus positiv zu bewerten, da die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige verschärft werden sollen. Diese Veränderungen basieren aber auf der politischen Entscheidung der Bundesregierung, an der Selbstanzeige im Grundsatz festzuhalten.
Um mehr als nur punktuelle Verbesserungen bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung erreichen zu können, wäre jedoch ein grundsätzlich anderer Ansatz zu bevorzugen, nämlich die komplette Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige. Ein gänzlicher Verzicht auf diesen Strafaufhebungsgrund hätte gegenüber der nun gewählten Lösung deutliche Vorteile.
Die Möglichkeit der Selbstanzeige bei einer Steuerhinterziehung verfolgt einerseits fiskalische Ziele. Zusätzlich soll sie aber auch reuigen Steuersündern die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ermöglichen. Gerade auf diesen letzteren Umstand hat sich auch der Bundesgerichtshof bezogen, als er im Mai des vergangenen Jahres die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige deutlich verschärft hat. Die Realität sieht aber anders aus, wie uns zuletzt die massenhaften Selbstanzeigen im Anschluss an die Ankäufe von Daten auf CDs gezeigt haben: Das Ziel der freiwilligen Rückführung reuiger Steuersünder in die Steuerehrlichkeit wird heutzutage überhaupt nicht mehr erreicht.
Das Instrument der Selbstanzeige ist bei kriminellen Vermögenstransfers ins Ausland zum bloßen Bestandteil eines Gesamtplans degeneriert. Bei dessen Ausführung beobachten Steuerhinterzieher und ihre Berater genau, ob ein Entdeckungsrisiko besteht oder nicht und bringen die Selbstanzeige je nach Einschätzung zum Einsatz.
Beängstigend an dieser Form der planmäßigen Steuerhinterziehung ist nicht nur die Hinterziehung an sich, sondern auch ihr Umfang, die hohe Zahl der Selbstanzeigen. Die jetzt vorgesehenen Verschärfungen des Gesetzes werden die Anwendung dieser Strategie nicht wesentlich eindämmen. Hierfür wäre die Abschaffung der Selbstanzeige das richtige politische Signal. Stattdessen beschränkt der Gesetzgeber sich auf die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen für die Straffreiheit, verzichtet aber bei Wirksamkeit der Selbstanzeige weiterhin auf seinen Strafanspruch.
Die Entscheidung für die Beibehaltung der Selbstanzeige führt auch in der jetzt vorliegenden überarbeiteten Fassung des Gesetzes immer noch zu Kompromissen, die ich inhaltlich ablehne. Dabei kritisiere ich besonders die Ausgestaltung des Zuschlags von 5 % auf den jeweiligen Hinterziehungsbetrag.
Nach der Gesetzesregelung ist zukünftig eine Selbstanzeige nur noch bei der Offenbarung einer Steuerhinterziehung bis 50.000 € möglich.
Diese Betragsgrenze ist zunächst ein schlechtes Signal für unsere Rechtskultur, da Ladendiebe, Schwarzfahrer oder Sozialbetrüger nicht auf eine vergleichbare Beitragsgrenze hoffen können. Hier lässt der Gesetzgeber zu, dass auch bei kleinen Straftaten der Strafanspruch ohne Betragsgrenzen verfolgt wird.
Grundsätzlich positiv bewerte ich den gesetzlich definierten Ausschluss der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehungen über 50.000 €. Jedoch wird dies durch die neue Regelung des § 398a Abgabenordnung konterkariert. Diese Regelung führt zu einem modernen Ablasshandel, da bei Zahlung des Zuschlages bei einer Steuerhinterziehung über 50.000 € im Ergebnis von einer Strafverfolgung abgesehen wird.
Die Bürger werden diese Botschaft als Zugeständnis an einkommensstarke Bevölkerungsgruppen verstehen, die sich durch Zahlung eines Zuschlags straffrei kaufen können.
Die inhaltliche Ausgestaltung der Zuschlagsregelung – als freiwillige Zahlung oberhalb einer Betragsgrenze – verdeutlicht exemplarisch die grundsätzliche Kritik an der Regelung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes. Der Gesetzgeber räumt mit dem Instrument der Selbstanzeige den Tätern einer Steuerhinterziehung eine Sonderstellung gegenüber anderen Straftätern ein.
Die aktuellen Probleme mit der Selbstanzeige stehen in engem Zusammenhang mit den Ankäufen von Datenmaterial auf CDs. Gestatten Sie mir daher noch einige Anmerkungen hierzu und zur damit einher gehenden Problematik zur Kostenbeteiligung der Länder an solchen Ankäufen. Nach meiner Auffassung muss der Staat alles daran setzen, das Entdeckungsrisiko für Steuerhinterzieher zu vergrößern. Entsprechende Maßnahmen müssen sich aber im Rahmen des geltenden Rechts bewegen. Zur Frage des Datenankaufs gibt es zwar bereits verschiedene Gerichtsentscheidungen – auch des Bundesverfassungsgerichts –, die sich mit der Beweisverwertung von Datenmaterial befassen und sich dabei für die rechtmäßige Verwertbarkeit der Daten-CD positionieren. Hingegen ist bei der Frage des Ankaufes solcher Daten noch keine klare Linie in der Rechtsprechung erkennbar. Es fehlt an einer klaren Rechtsgrundlage via Rechtsnorm (im Sinne einer Befugnisnorm). Eine Rechtssicherheit bei der sehr heiklen Frage des Datenankaufs ist gerade auch für die handelnden – d. h. den Ankauf tätigenden – Finanzbeamten von eminenter Wichtigkeit. Dementsprechend habe ich entschieden, dass das Land Brandenburg sich an den Kosten anderer Länder oder des Bundes für den Ankauf von Daten-CDs künftig nicht mehr beteiligen wird.
Meine Positionen zu dem Gesetzesentwurf möchte ich abschließend wie folgt zusammenfassen:
Die Steuerhinterziehung kann das Merkmal eines Straftatbestands nur dann vollumfänglich ausfüllen, wenn das Korrektiv der Straffreiheit durch Selbstanzeige aus der Rechtskultur unseres Staates entfernt wird; dies wird von dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – trotz einiger positiver Ansätze an anderer Stelle – nicht geleistet. Die energische Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist unabweisbare Voraussetzung für das Funktionieren unseres Gemeinwesens. Alle Maßnahmen – bis hin zum weiterhin heftig umstrittenen Ankauf der sogenannten Daten-CDs – müssen dabei von klaren Rechtsgrundlagen abgedeckt sein; dies liegt im zwingenden Interesse des demokratischen Rechtsstaates und stärkt die handelnden staatlichen Institutionen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“