„Ein Doppelhaushalt, der sich durch Realismus und Pragmatismus auszeichnet“

Finanzministerin Katrin Lange bringt Doppeletat 2023/2024 im Landtag ein

- Erschienen am 12.10.2022 - Presemitteilung 54/2022

Potsdam – Finanzministerin Katrin Lange hat heute im Landtag des Landes Brandenburg den Entwurf des Doppelhaushaltes 2023/2024 und der Personalbedarfsplanung bis 2026 eingebracht. Das Kabinett hatte am 27. September 2022 den Entwurf beschlossen und dem Landtag anschließend zugeleitet. In ihrer Einbringungsrede nahm die Finanzministerin auch Stellung zum beabsichtigten „Brandenburg-Paket“.

 

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich kann heute an meine Rede vor der Sommerpause anknüpfen, in der ich die Erwartung geäußert hatte, dass wir uns im Herbst wieder sprechen würden und dass sich bis dahin „die soziale Lage in Deutschland deutlich weiter eingetrübt haben“ wird.

Und das ist nun auch leider der Fall, wie Sie den zunehmend gereizter werdenden Debatten in Politik und Medien und dem Demonstrationsgeschehen im Land entnehmen können. Meine Vermutung ist: Das wird in den nächsten Wochen und Monaten noch sehr viel gereizter werden, denn dazu gibt es auch allen Grund.

Die Inflation in Deutschland hat mittlerweile 10 Prozent erreicht. Ein weiteres Ansteigen ist nicht ausgeschlossen. So rechnet etwa das Ifo-Institut im ersten Quartal mit etwa 11 Prozent.

Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Einkommen und Vermögen in Deutschland auch weiterhin einem raschen Prozess der fortschreitenden Entwertung unterworfen sein werden. Daran wird sich in der nächsten Zeit auch wenig ändern.

Zwar hat die EZB den Leitzins in der letzten Zeit mehrfach angehoben, bleibt damit aber weiterhin deutlich hinter den Maßnahmen der amerikanischen Notenbank zurück. Die EZB steht hier nun leider vor einem selbst geschaffenen Problem, denn eine stärkere Anpassung des Leitzinses könnte wegen der hohen Verschuldung der Südländer zu einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone führen.

Derzeit ist der Chef des DIW, Marcel Fratzscher, viel unterwegs als gefragter Experte. Vor einem Jahr äußerte sich Herr Fratzscher im Handelsblatt noch so: „Die höhere Inflation ist willkommen – und notwendig für die Transformation der deutschen Wirtschaft. Klagen über gestiegene Energiepreise führen in die Irre, denn klimaschädigendes Verhalten von Unternehmen und Menschen muss teurer werden.“ Mittlerweile beurteilt der DIW-Chef die Lage allerdings ein wenig anders. Laut n-tv rechnet er nunmehr „fest mit einem dauerhaft sinkenden Wohlstand in Deutschland. Firmenpleiten und Arbeitsplatzverluste seien nicht auszuschließen“.

Das passt zur gestrigen Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds.

Danach schneidet im kommenden Jahr kein großes Industrieland schlechter ab als Deutschland. „Kurz gesagt, das Schlimmste kommt noch“, heißt es im Weltwirtschaftsausblick des IWF mit Blick auf die Entwicklung der wichtigsten Industriestaaten.

Ein wesentlicher Grund für diese pessimistischen Einschätzungen sind die Folgen des Krieges in der Ukraine. Und ein Ende dieses Krieges ist derzeit nicht absehbar.

Man sollte dennoch keine Möglichkeit verstreichen lassen, diesen Konflikt zu akzeptablen Bedingungen der Ukraine doch noch beizulegen. Die Alternative ist ein jahrelanger Krieg mit der steten Gefahr einer weiteren Eskalation und Ausweitung. 

In Deutschland hält man diese Gefahr zwar für gering, aber ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus zeigt, dass man das andernorts durchaus kritischer und weniger optimistisch beurteilt als hierzulande, wo sich einzelne Mitglieder der Bundesregierung, die gerne twittern, schon als „im Krieg mit Putin“ befindlich wähnen. Wenn das mit diesem losen Gerede so weitergeht, könnte das freilich schneller eintreten, als man in Katar und Saudi-Arabien „werteorientierte Außenpolitik“ sagen kann.

Jedenfalls führt der Angriff Russland auf die Ukraine auch dazu, dass große Teile Europas und insbesondere auch Deutschland ihre Energieversorgung auf eine neue Grundlage stellen müssen.

Für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes wird das von entscheidender Bedeutung sein und damit auch für die künftigen finanzpolitischen Möglichkeiten des Landes Brandenburg.

Meine Damen und Herren,

vor diesem Hintergrund legen wir Ihnen nun den Entwurf für den Doppelhaushalt 2023/2024 vor.

Es stellt sich hier natürlich zuerst die berechtigte Frage, ob es denn angesichts der hohen Unsicherheiten überhaupt einen Sinn macht, jetzt mit einem Doppelhaushalt zu planen. Meine Antwort darauf lautet uneingeschränkt: Ja. Denn man muss folgendes sehen: Der Landeshaushalt bildet gewissermaßen die „Kernaufgaben“ des Landes ab, die so oder so finanziell fortgeschrieben werden müssen.

Es ist schon richtig, dass das Land zusätzlich auch noch reagieren muss auf besondere und außergewöhnliche Herausforderungen. Das Land muss auch Anti-Krisen-Politik betreiben, ja, aber das Land kann auch nicht nur Anti-Krisen-Politik betreiben. Auch nicht in solchen Zeiten.

Es muss auch – soweit es eben geht - für Planungssicherheit und Berechenbarkeit sorgen für seine originären Aufgaben, für Bildung und Soziales, Sicherheit und Wirtschaftsförderung, Wissenschaft und Kultur, Gesundheit und Verkehr und vieles andere mehr, was zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehört. Ein Doppelhaushalt leistet das. Das ist auch der Grund, warum immer mehr Bundesländer wieder zum bewährten Instrument der Doppelhaushalte zurückkehren. Und ich halte das auch für Brandenburg ganz klar für die richtige Entscheidung.

Dass hier noch eine Komponente auf die bisherigen Planungen dazukommen wird – Stichwort: „Brandenburg-Paket“ – das ist jetzt schon klar. Aber es ist eben gewissermaßen eine externe Komponente, die durch eine Zuspitzung von Krisentendenzen verursacht ist, die sich außerhalb der Reichweite und Verantwortung des Landes Brandenburg befinden. Deswegen ist es machbar, dies während der laufenden Haushaltsberatungen noch einzuarbeiten.

Es bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, als so zu verfahren, weil wichtige politische Verständigungen zwischen Bund und Ländern bekanntlich noch ausstehen, deren Ergebnisse wir benötigen, um die Brandenburger Maßnahmen konkret zu untersetzen. Diese Verständigungen sind dringlich und überfällig, und dass dies so ist, liegt nicht an den Ländern, sondern ausschließlich an der Bundesregierung.

Insofern haben wir es also zu tun mit einem „Doppelhaushalt plus X“, was die Beratungen etwas kompliziert, aber angesichts der sonstigen Herausforderungen, vor denen Bürger und Wirtschaft derzeit stehen, sollte dies noch unser geringstes Problem sein. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass Brandenburg mit Ihrer tatkräftigen Hilfe zum Jahresende einen soliden und tragfähigen Doppelhaushalt einschließlich eines robusten Anti-Krisen-Pakets beschließen wird. Und das wird dazu führen, dass Brandenburg bis über das Ende der Wahlperiode hinaus finanzpolitisch für so viel Klarheit und Verlässlichkeit gesorgt haben wird, wie es angesichts des Umfeldes eben heute möglich ist. Mehr kann man nicht verlangen.

Meine Damen und Herren,

zunächst also zum vorliegenden Entwurf des Doppelhaushaltes ohne das „Brandenburg Paket“, auf das ich noch extra eingehen werde. Der Entwurf des Doppelhaushalts sieht eine maßvolle Steigerung der Ausgaben in den kommenden zwei Jahren vor. 2023 sind 15,4 Mrd. Euro geplant, 2024 15,5 Mrd. Euro. Das ist ein insgesamt durchaus vertretbares Niveau.

Der Haushalt sieht im Entwurf zwar auch noch eine Neuverschuldung vor von 330 bzw. 24 Mio. Euro. Es handelt sich dabei ausschließlich um zulässige Kreditaufnahmen für sogenannte finanzielle Transaktionen. Diese wiederum werden maßgeblich durch die Zuweisungen an die Flughafengesellschaft FBB in Höhe von 290 Mio. Euro in 2023 bestimmt. Die Kreditfinanzierungsquote des Haushalts läge demnach ohne das „Brandenburg Paket“ bei 2,2 Prozent in 2023 bzw. 0,2 Prozent im Jahr 2024.

Der Haushalt enthält anhaltend robuste Investitionsausgaben auf vergleichsweise hohem Niveau. Brandenburg investiert unverändert massiv in seine Zukunft. Die Investitionsquoten werden voraussichtlich bei knapp 13 bzw. gut 11 Prozent liegen. Das sind gute Werte, die sich auch im Ländervergleich sehen lassen können.

Zu betonen ist, dass der Haushalt wesentliche politische Vorhaben der Koalition beinhaltet, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Denn die Landespolitik kann, wie gesagt, auch in schwierigen Zeiten nicht ausschließlich aus Anti-Krisen-Politik bestehen, sondern muss ihren Gestaltungsanspruch realisieren.

Der Entwurf des Doppelhaushaltes löst diesen Anspruch ein.

Hier geht es zum Beispiel um die Einführung der Elternbeitragsfreiheit für das erste und zweite Kindergartenjahr, die nächsten Schritte der Personalschlüsselverbesserung in der Krippe, die weitere Stärkung von Polizei und Justiz, die Finanzierung der Hochschulmedizin in der Lausitz oder die Fortsetzung der pauschalen Krankenhausförderung.

Zu diesen notwendigen Maßnahmen gehört aber auch die weitere personelle Stärkung der Landesverwaltung in unterschiedlichen Bereichen. Daher enthält der Doppelhaushalt gut 1.200 neue Stellen, insbesondere für Lehrkräfte, die Polizei, den Landesbetrieb Straßenwesen oder auch den Brandenburgischen Liegenschaftsbetrieb BLB. Die Gesamtstellenzahl der Landesverwaltung wird damit bis Ende 2024 auf knapp 52.000 wachsen. Nicht nur ist die Zeit eines verfehlten Personalabbaus vorbei, sondern das Land unternimmt erhebliche Anstrengungen zur zusätzlichen Gewinnung von Beschäftigten. Ich gehe davon aus, dass der Personalbestand der Landesverwaltung sich auch nach 2024 angesichts ständig zunehmender Anforderungen an den Staat und wachsender Aufgabenbestände weiter erhöhen wird.

Meine Damen und Herren,

Die Einnahmeerwartungen des Landes gestalten sich derzeit günstig. Das ist wahr. Das ist allerdings wesentlich auf einen inflationären Effekt zurückzuführen. Auf diese erwarteten höheren Einnahmen wird hier ja mit Interesse geschaut. Deshalb will ich Ihnen sagen, wie es um diese Einnahmen steht – sie sind von uns nämlich bereits vollständig verplant. Sozusagen rückstandsfrei. Sie werden eingesetzt für den geordneten Vollzug des laufenden Haushalts 2022 und entlasten uns auf der Rücklagenseite, die wir wiederum benötigen für den Doppelhaushalt.

Aktuell gehe ich davon aus, dass auf die in diesem Jahr geplante hohe Entnahme aus der allgemeinen Rücklage in Höhe von 648 Mio. Euro vollständig verzichtet werden kann. Es könnte sogar am Jahresende ein Überschuss von etwa 175 Mio. Euro erzielt werden.

Das kommt für den einen oder anderen jetzt vielleicht etwas unerwartet. Diese gut 800 Mio. Euro werden von uns vorausschauend für die Schließung der ursprünglichen Deckungslücken im Doppelhaushalt in Anspruch genommen. Und zwar vollständig - denn halbe Sachen wollen wir hier ja nicht machen.

Meine Damen und Herren,

ich selbst habe nie ausgeschlossen, dass auf den Landeshaushalt angesichts der außergewöhnlichen Zuspitzung der Krisenlagen noch etwas draufkommen muss. Die Situation ist jetzt da. Die Koalition hat sich auf ein zusätzliches Unterstützungsprogramm verständigt, dass den nüchternen Titel „Brandenburg-Paket“ trägt. Das ist eine gut märkische Bezeichnung mit null Prozent Propagandabeimischung - denn wir haben hier für Framing-Mätzchen keine Zeit und sind schließlich nicht bei der Bundesregierung.

Es wird unabweisbare Handlungsbedarfe geben, die auf Länderebene auch nach einer Einigung zwischen Bund und Ländern noch bestehen werden. Solche zusätzlichen Maßnahmen sind nur „on top“ auf den Doppelhaushalt finanzierbar. Das erfordert die Feststellung einer „außergewöhnlichen Notlage“ durch den Landtag. Diese Feststellung kann mit gutem Gewissen und aus guten Gründen getroffen werden. Denn wenn dies jetzt keine „außergewöhnliche Notlage“ sein soll, dann weiß ich nicht, was das überhaupt sein soll.

Die Koalition wird dem Landtag daher vorschlagen, diese Notlage bis Ende 2024 zu erklären. Das ist ein verantwortungsbewusster und maßvoller Vorschlag. Die sachliche Rechtfertigung liegt in der geplanten Wirkungsdauer des „wirtschaftlichen Abwehrschirms“ der Bundesregierung im Umfang von 200 Mrd. Euro. Ich glaube, dass eine Synchronisierung der Maßnahmen von Bund und Ländern hier auf der Hand liegt. Wir springen damit weder zu kurz, noch zu weit, und deshalb ist dies auch mein Vorschlag an den Landtag.

Theoretisch wären hier natürlich auch andere Optionen denkbar. Vor dem Hintergrund der Einschätzung, dass wir möglicherweise in eine lang anhaltende Phase der wirtschaftlichen und sozialen Zerrüttung des Gemeinwesens in Deutschland eintreten, ließen sich auch durchaus gute Gründe für eine Notlagenerklärung für das gesamte Jahrzehnt finden. Das würde ich zum jetzigen Zeitpunkt aber für überzogen halten: Wie gesagt: Zum jetzigen Zeitpunkt.

Das Brandenburg-Paket soll nach derzeitigem Stand einen Umfang von 2 Mrd. Euro haben. Auch das wird man als angemessen bezeichnen müssen, wenn man bedenkt, dass uns allein die Mitfinanzierung der geplanten Bundesmaßnahmen bis Ende 2024 schon rund 970 Mio. Euro kosten könnte.

Ich will das hier deutlich sagen: Was nicht geht ist, dass sich der Bund für die bloß formale Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023 abfeiern lässt, während die Länder zusehen sollen, wie sie mit dem ganzen Schlamassel klarkommen.

Wir wissen nicht, wie die Dinge sich noch weiterentwickeln, was Rezessionsgefahr, Pandemie, Inflation, Energiekrise und internationale Kriegs- und Krisenherde anbetrifft. Meine Einschätzung ist da näher bei den Realisten als bei den Berufsoptimisten. Deshalb war mein ursprünglicher Vorschlag, hier noch ein wenig kraftvoller an die Sache heranzugehen und ein Volumen im niedrigen bis mittleren Milliardenbereich ins Auge zu fassen. So wären etwa 5 Mrd. Euro eine schöne Summe.

Wir werden sehen, ob es in Abhängigkeit von der Entwicklung der Lage notwendig sein wird, hier noch etwas anzupassen, um den hart bedrängten Bürgern und Betrieben unseres Landes zur Seite zu stehen. Denn bedenken Sie: Der Zusammenhalt unseres Gemeinwesens in der Krise ist ja auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Einstweilen aber sind auch 2 Mrd. Euro eine schöne Summe, die die Koalition mit dem klugen Zusatz „nach derzeitigem Stand“ vereinbart hat.

Meine Damen und Herren,

die Landesregierung legt ihnen einen Doppelhaushalt vor, der sich durch Realismus und Pragmatismus auszeichnet. Das ist in der heutigen Zeit nicht das Schlechteste, was man über solche Vorhaben sagen kann.

Wir alle stehen vor außerordentlich schwierigen Herausforderungen. Es ist von den Menschen viel aufgebaut worden in den letzten drei Jahrzehnten, und wir dürfen es nicht zulassen, dass dies nun in Gefahr gerät durch Risiken, die weitgehend außerhalb unserer Reichweite liegen. Dafür bin ich auch bereit, zu finanzpolitischen Instrumenten und Maßnahmen zu greifen, die in normaleren Zeiten nicht in Frage kommen würden.

Jetzt steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Wir müssen den Brandenburgerinnen und Brandenburgern das ganz klare Signal geben, dass wir nichts unversucht lassen, sie durch diese außerordentliche Lage zu bringen. Es ist uns allen klar, was passiert, wenn das nicht gelingt. Deshalb steht auch der Landtag möglicherweise vor den schwersten Entscheidungen, die er je zu treffen hatte.

Meine Damen und Herren,

auf den Landtag Brandenburg kommt es jetzt an!

Vielen Dank!